Die Lage des Stiftes

Wer von Westen kommend über die B 508 auf Hilchenbach zufährt, dessen Blicke werden nach Passieren des Ortsteils Dahlbruch unweigerlich auf einen markanten Gebäudekomplex im weitläufigen Wiesental gelenkt. Besondere Aufmerksamkeit gewinnt das Anwesen durch den angegliederten Kirchenbau. Eine Kirche abseits von Siedlungen, mitten auf der grünen Wiese und umrahmt von Wäldern, lässt auf einen besonderen Status schließen. So ist denn auch die Eigenart dieses Instituts, dessen einst adeligen Insassen als Stiftsdamen "frommer Zurückgezogenheit" verpflichtet waren, durch eine besondere Geschichte begründet.

Erste urkundliche Erwähnung

Erstmals wird Stift Keppel in einer Urkunde aus dem Jahre 1239 erwähnt, wonach Graf Heinrich von Nassau auf Bitten seines Lehnsmannes Friedrich vom Hain dem Kloster die Einkünfte der Kirche von Netphen übertrug. Dem weiteren Wortlaut ist zu entnehmen, dass "besagter Friedrich auf seinem Besitztum das Schwesternkloster, Keppel genannt, zu Gottes Ehre in löblicher Weise errichtet habe". Eine Gründungsurkunde ist nicht überliefert. Da von einer bereits bestehenden Einrichtung die Rede ist, kann man davon ausgehen, dass schon vor dem Zeitpunkt der ersten urkundlichen Erwähnung das Kloster existierte. Dies lässt sich auch aus der Tatsache erschließen, dass im Nekrolog der Prämonstratenser-Abtei Arnstein an der Lahn, dessen Verband Keppel angehörte, einer hiesigen Klostervorsteherin gedacht wird, deren Tod bereits auf die Zeit vor 1236 zu datieren ist.
Die Ordensfrauen in Keppel lebten nach der Regel des hl. Augustinus. Es waren vor allem unverheiratete Töchter des heimischen Landadels, zu deren standesgerechten Versorgung die Stiftung in erster Linie ins Leben gerufen worden war. Nach einer Klosterordnung aus dem Jahre 1392 blieben Fräulein nichtadeliger Herkunft von der Aufnahme in den Konvent ausgeschlossen. In demselben Dokument wird Johann I. Graf von Nassau als Schirmherr und Stifter des Klosters tituliert. Seine Mutter Adelheid, geb. Gräfin von Vianden, leitete in den letzten Jahrzehnten ihrer Witwenschaft selbst als "Magistra" die Geschicke des Stifts. Für sie, sich selbst und seine Gemahlin Margarethe, Gräfin von der Mark, wählte er die Keppeler Klosterkirche als Grablege.

Die unruhige Zeit der Reformation

Im 15. Jahrhundert ließ die Klosterzucht nach, und auch die Klausur wurde in Keppel nicht mehr streng eingehalten. Wiederholte Reformierungsversuche zeigten keinen nachhaltigen Erfolg. In dem Maße wie die Autorität der Arnsteiner Äbte schwand, nahm der Einfluss des Landsherrn zu. 1547 erließ Graf Wilhelm von Nassau, der sich der Reformation zugewandt hatte, für Keppel eine neue Ordnung. In ihr wurde die Säkularisierung des Klosters zu einem "freiweltlichen Fräuleinstift" evangelischer Prägung vorgezeichnet. Endgültig und unwiederbringlich erfolgte die Umwandlung 1594 durch eine neuerliche erlassene Ordnung seines Sohnes Johann VI., in der die Bezeichnung Kloster gänzlich vermieden wurde.
Das seit der Reformation "freiweltliche" Fräuleinstift hatte sich mittlerweile profanen Aufgaben zugewandt. Noch in dem alten, überkommenen Klostergemäuer war unter Graf Wilhelm von Nassau Mitte des 16. Jahrhunderts für "junge Mädergen und Junfferen" eine Schule eingerichtet worden. Sie erlangte über die Grenzen Nassaus hinaus hohes Ansehen und florierte bis zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Nach einer zwischenzeitlichen Vakanz, in der dem Jesuitenkolleg in Siegen Keppel als Pfründe zugewiesen worden war, erhielten die adligen Fräulein um die Mitte des 17. Jahrhunderts das Stift wieder zurück. Die Vereinbarungen des Westfälischen Friedens sahen die Wiederherstellung der Besitzverhätnisse kirchlicher Einrichtungen und mildtätiger Stiftungen vor, wie sie einst 1624, zum Zeitpunkt des sog. Normaljahres, vorherrschten. Zu diesem Stichdatum bestand der Stiftskonvent ausschließlich aus reformierten Fräulein. Jedoch unter den veräderten Bedingungen, die sich im Zuge der Gegenreformation eingestellt hatten – der für das Stift zuständige Landesherr, Graf Johann der Jüngere, und ein Großteil der stiftsinteressierten Ritterschaft waren wieder katholisch geworden –, kam es zur Einrichtung eines Simultaneums in Keppel. Danach verteilten sich die Stiftsstellen auf vier reformierte und vier katholische Fräulein, während die Äbtissinnen in der Amtsfolge nach ihrer Konfessionszugehörigkeit wechselten. In der Nachfolgezeit des fast 150 Jahre währenden Simultaneums war der Konvent so sehr mit sich selbst und der eifersüchtigen Wahrung des Proporzes beschäftigt - unter einem Dach wurden zwei nach Konfessionen getrennte Haushaltungen, sogar ein evangelischer und ein katholischer Kuhstall geführt -, dass wenig Kraft für eine produktive Außenwirkung übrig blieb. Die vor dem Dreißigjährigen Krieg eingestellte Lehrtätigkeit wurde nicht wieder aufgenommen. Einzig auf dem baulichen Sektor entwickelte der Konvent nennenswerte Aktivitäten, wobei jede Religionspartei, unter Maßgabe vor allem der jeweils vorstehenden Äbtissin, nachhaltige Spuren hinterließ. Während auf reformierter Seite die profanen Bauten modernisiert wurden, widmeten sich die katholischen Äbtissinnen vor allem der barocken Ausgestaltung der Stiftskirche.

Schulgründung in der preußischen Zeit

Nach dem Aussterben der meisten Siegerländer Adelsfamilien, die bislang zur Unterbringung ihrer Töchter an der Erhaltung dieser stiftischen Einrichtung interessiert waren, erwog 1774 der Prinz von Oranien die mittelfristige Auflösung des Stifts durch Nichtbesetzung vakanter Präbendenstellen. Doch erst1812 kam es zur Säkularisation. Nach Ende der napoleonischen Fremdherrschaft bestätigte auch der wieder eingesetzte Landsherr Friedrich Wilhelm von Oranien die Aufhebung des Stifts. Noch im selben Jahr1815 fiel auf Beschluss des Wiener Kongresses das Fürstentum Nassau-Siegen an Preußen. Schließlich wurde 1818 durch Kabinettsorder Friedrich Wilhelms III. die Beibehaltung der Aufhebung des Stifts und die Vereinigung des Stiftsfonds Keppel mit dem von Stift Geseke verfügt. Fortan dienten die Pachteinkünfte aus den Gebäuden und Liegenschaften der Domäne Keppel der Finanzierung des Damenstifts in Geseke. Die seit der Säkularisation verwaiste Stiftskirche wurde in der Zeit zwischen Abriss (1839) und dem Neubau der Stadtkirche in Hilchenbach (Vollendung 1846) von der evangelisch-reformierten Gemeinde genutzt. Auch der katholischen Diasporagemeinde war seit 1844 die Nutzung der Stiftskirche "vergönnungs und jederzeit widerruflich" gestattet worden. Zunächst gehörte das gesamte nördliche Siegerland zum Einzugsbereich der katholischen Missionpfarrei Keppel, die sich im Jahre 1900 mit dem Neubau der St. Augustinus-Kirche – ausgangs Dahlbruch in Sichtweite des Stifts – endgültig von Keppel löste. Dortwar nämlich 1871 unter der Schirmherrschaft der preußischen Königin Elisabeth die "Keppelsche Schul- und Erziehungsanstalt" für Mädchen mit angeschlossenem Internat gegründet worden. Sie war zunächst in erster Linie zur Versorgung der verwaisten Töchter des verdienten Offiziersadels gedacht. Zur ersten Stiftsoberin wurde Nanny von Monbart berufen. 1872/73 erweiterte man das Ausbildungsangebot der Schule durch die Einrichtung eines Lehrerinnenseminars.
Heute ist Stift Keppel, das nunmehr auf eine über 130jährige Schultradition zurückblicken kann, ein öffentliches Gymnasium für Mädchen und Jungen.

Hinweise

Geführte Besichtigungen der Stiftskirche und des barocken Konventsaales sind bei Voranmeldung von Gruppen möglich. Vereinbarungen sind mit der Stiftsverwaltung (Tel.: 02733/89410) zu treffen. Dort kann auch für 5,- DM eine in der Reihe Westfälische Kunststätten erschienene Broschüre über die Sehenswürdigkeiten des Stifts erworben werden.